- Friedensnobelpreis 1946: Emily Greene Balch — John Raleigh Mott
- Friedensnobelpreis 1946: Emily Greene Balch — John Raleigh MottDie Amerikanerin erhielt den Nobelpreis für ihre Arbeit in der WILPF, ihr Landsmann für seine Tätigkeit in der ökumenischen Bewegung und der Mission.BiografienEmily Greene Balch, * Jamaica Plain (Massachusetts) 8. 1. 1867, ✝ Cambridge (Massachusetts) 9. 1. 1961; 1896-1919 Hochschullehrerin am Wellesley College (Boston), 1919 Mitgründerin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF).John Raleigh Mott, * Livingston Manor (New York) 25. 5. 1865, ✝ Orlando (Florida) 31. 1. 1955; 1895 Mitgründer des Christlichen Studentenweltbunds, 1915-28 Präsident des Christlichen Vereins Junger Männer (YMCA), 1948 Ehrenpräsident des Ökumenischen Rats.Würdigung der preisgekrönten LeistungEin Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden zwei Persönlichkeiten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, die sich, angetrieben von sozialem und christlichem Engagement, jahrelang für den Frieden eingesetzt hatten.Ein Leben für den FriedenEmily Greene Balch hatte zunächst eine Universitätslaufbahn eingeschlagen. Nach dem Studium der Volkswirtschaft übernahm sie eine Dozentenstelle am Wellesley College bei Boston. Schon hier engagierte sie sich auch in der Sozialarbeit, indem sie sich für die Kinder armer Familien und für Einwanderer aus Osteuropa einsetzte. Bald erweiterte sie ihre Interessen auf die Rechte der Frauen und vor allem auf die Arbeit für den Frieden.Ein Schlüsselerlebnis war der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Gemeinsam mit Jane Addams (Nobelpreis 1931) schloss sie sich einer Delegation amerikanischer Frauen an, die 1915 zum Internationalen Frauenkongress nach Den Haag reiste. Die über 1500 Teilnehmerinnen suchten nach Mitteln, um den Krieg zu beenden. Praktisches Ergebnis des Kongresses war die Gründung des Internationalen Frauenkomitees für dauerhaften Frieden, 1919 umbenannt in Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (Women's International League of Peace and Freedom, WILPF). Im Auftrag dieser Organisation reiste Balch nach Skandinavien und nach Russland, wo sie mit führenden Politikern über die Möglichkeiten einer Beendigung des Kriegs konferierte.Wegen ihrer pazifistischen Haltung und ihrer Kritik an der Mitwirkung der USA am Ersten Weltkrieg wurde Balch 1919 von ihrer Universität entlassen. Bis 1922 war sie als Schatzmeisterin der WILPF tätig, und 1931 wurde sie Nachfolgerin von Jane Addams und damit Präsidentin der amerikanischen Sektion. Durch ihre zahlreichen Bücher und vielen friedenspolitischen Aktivitäten wurde sie zu einer Berühmtheit. Eine Idealistin wie viele ihrer Kolleginnen in der WILPF war sie jedoch nicht. Anders als im Ersten Weltkrieg stand sie dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg positiv gegenüber. Gleichwohl entwarf sie noch während des Kriegs Konzepte für eine friedliche Nachkriegsordnung. 1942 erregte sie Aufsehen mit einer Rede, in der sie für die Internationalisierung der Weltmeere und des Luftraums eintrat. Ihre Forderung, auch die Polargebiete unter internationale Aufsicht zu stellen, wurde später von den Vereinten Nationen übernommen.Gleich nach dem Krieg führte Balch die amerikanische Delegation an, die zu der 10. Konferenz der WILPF nach Luxemburg reiste. Wenig später wurde sie, fast 80-jährig, mit dem Friedensnobelpreis geehrt, als eine Frau, »die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt jede Minute ihres Lebens der Arbeit an der Sicherung des Friedens unter den Völkern gewidmet hat«. Trotz der Erfahrung von zwei Weltkriegen und des nahenden Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion verlor die Friedensnobelpreisträgerin niemals ihre Zuversicht: »Es ist uns nicht gegeben, in dieser von der Kernenergie beherrschten Welt zu wissen, wie alles enden wird. Aber wenn ich über die erstaunliche Anpassungsfähigkeit und Findigkeit des Menschen nachdenke, wie sollte ich da nicht guten Mutes sein.«Ein Leben für das ChristentumGeteilt hat sich Emily Green Balch den Friedensnobelpreis von 1946 mit ihrem amerikanischen Landsmann John Raleigh Mott. In ihm ehrte das Nobelkomitee eine Persönlichkeit, die bei ihrer Arbeit für den Frieden von christlichen Überzeugungen angetrieben wurde. Weil sich bei ihm der Gedanke der christlichen Mission in idealer Weise mit einem ausgeprägten Organisationstalent verband, wurde Mott zu einem der führenden Köpfe der christlichen Bewegung. Schon während seines Studiums der Geschichte engagierte er sich in dem Christlichen Verein Junger Männer (Young Men's Christian Association, YMCA). Das Amt des Studentensekretärs der YMCA, das er 1888 übernahm, war die erste einer Vielzahl von öffentlichen Funktionen, die Mott in seinem Leben bekleidete. Später wurde er Generalsekretär der internationalen YMCA, 1895 Mitbegründer und Generalsekretär des Christlichen Studentenweltbunds, schließlich auch Mitglied des Weltkirchenrats.Oberstes Ziel von Motts vielen Aktivitäten war die weltweite Verbreitung des Christentums. Diese christliche Mission war jedoch nicht Selbstzweck. Vielmehr glaubte Mott fest daran, dass die Verbreitung der christlichen Lehre dazu dienen könne, eine friedliche Welt zu schaffen. 1910 organisierte er in Edinburgh die erste Weltmissionskonferenz mit über 1000 Teilnehmern aus allen Erdteilen. Sichtbarer Erfolg der Konferenz war die Gründung des Internationalen Missionsrats, an dem sich allerdings die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen nicht beteiligten. Dennoch arbeitete Mott beharrlich daran, die Kluft zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften abzubauen und die Ökumene, das heißt, ein weltumspannendes Netz der christlichen Kirchen, zu verwirklichen. Zwei Jahre, nachdem Mott den Friedensnobelpreis erhalten hatte, gelang ihm die Gründung des Weltrats der Kirchen, dem zunächst 147 Kirchen aus 47 Ländern und nun auch die orthodoxen Kirchen angehörten. Bis heute ist die Zahl auf über 320 Kirchen aus mehr als 90 Ländern angewachsen.Mott war nicht nur der Organisator der christlichen Mission. Ständig war er unterwegs, um der Sache der Religion und des Friedens zu dienen. Allein den Atlantik hat er mehr als 100-mal überquert. Zu seinen Gesprächspartnern gehörten Mahatma Gandhi, der indische Prediger der Gewaltlosigkeit, Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, der japanische Kaiser Hirohito und der chinesische General Chiang Kai-shek. Seine besondere Fürsorge galt den Menschen schwarzer Hautfarbe, für die er Gleichheit und Gerechtigkeit einforderte. »Alle Rassen«, so sagte Mott, »sind wesentlich und unentbehrlich.« In den beiden Weltkriegen war er bemüht, den Opfern der Gewalt zu helfen und die Lebensbedingungen der Kriegsgefangenen zu verbessern. In die Politik selbst aber wollte er sich nicht einspannen lassen und lehnte daher das Angebot des amerikanischen Präsidenten Thomas Wilson ab, den Posten des amerikanischen Botschafters in China zu übernehmen. Allerdings verweigerte er sich nicht, als Wilson ihn bat, vermittelnd in einen Konflikt zwischen den USA und Mexiko einzugreifen.H. Sonnabend
Universal-Lexikon. 2012.